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Ansichten aus unserer Heimat von Rudolf Priemer
Die Feldscheune bei Nitzschka
Am Ortsrand von Nitzschka steht noch ein Exemplar„der versteinerten
Agrargeschichte des 20. Jh." - eine Feldscheune. Das reichlich 20m lange
Bauwerk ist traditionell abgebunden, verzimmert und an Ort und Stelle errichtet
worden. Danach wurden das flach, geneigte Dach mit Dachpappe gedeckt und
die Fachwerkwände weit mehr als übermannshoch mit rot gebrannten
Ziegeln ausgemauert. Große- einander gegenüberliegende Schiebetore
waren unerläßlich für die Nutzung, wie eine festgeschotterte
Zufahrt von der nahen Straße aus.
Ihr Umfeld
Seit rund 5000 Jahren baut man bei uns Getreide an und erntete es
im wesentlichen gleich oder ähnlich bis in die 60er Jahre dieses Jh.:
Das reife Getreide wurde vom Feld geerntet und verantwortlich wie mühsam
und kunstvoll in Scheuneneingelagert: „gebanselt", um es in der folgenden,
weniger arbeitsintensiven Zeit- die sich bis in das Frühjahr hinein
erstrecken konnte - gewissenhaft auszudreschen. Entscheidende Verbesserungen
aber noch keine grundsätzlichen Veränderungen gab es mit der
beginnenden Mechanisierung seit der zweiten Hälfte des vorigen Jh.
Durch mechanische Mähmaschinen und ständig perfekter werdende
Dreschmaschinen.
Dem Mähen des Getreides mit Ablegenden durch die Grasmähmaschine
(noch im „Schwad") und die folgenden „Flügelmaschinen" (schon „abgerafft"
und Garbenweise) folgte in der zweiten Hälfte dieses Jh. durchweg
die Ernte des Getreides mit dem fertigen Binden der Garben durch „Mähbinder"
auch bei kleinen Bauern.
Ein ganz neues Konzept der Getreideernte wurde seit der Jahrhundertwende
in den Ländern angewandt, die in großem Maße Weizen produzierten.
Zunächst arbeiteten dort große, pferdebespannte Mähdrescher,
die das Getreide mähten und währenddessen gleich ausdraschen!
Auf den alten „Grünen Wochen" in Berlin und auf den früheren
Landwirtschaftsausstellungen in Markkleeberg wurde in den 20er Jahren die
Technik spezialisierter, sehr großer Landwirtschaftbetriebe vorgestellt.
Jahrzehnte später kamen die nordamerikanischen Mähdrescher über
den Technikimport aus der UdSSR auch nach Sachsen. Technologisch wie arbeitskräftemäßig
und innenpolitisch war es spätestens in den 50er Jahren nötig,
die Landwirtschaft modern zu organisieren.
Und Funktionen
Nach der Jahrhundertwende änderte sich auch in der sächsischen
Landwirtschaft viel -bedingt durch Arbeitskräftemangel bei größer
Bevölkerungsdichte. Die letzte Steigerung traditioneller
Landwirtschaft wurde ereicht: Große und größere Landwirtschaftsbetriebe
auch Ritter- und Staatsgüter mit ausgedehnter Getreidewirtschaft,
mussten mit ständig mehr Saisonkräften arbeiten und waren gezwungen,
ihre Feldarbeit ständig zu rationalisieren und zukonzentrieren. Die
eingebaute oder fahrbare Dreschmaschine, zuerst mit Göpel oder im
Größen miteiner Lokomobile, dann durch Diesel- und Elektromotor
angetrieben, wurde an einem zentralen Punkt inmitten der Getreidefelder
- in der Feldscheune - aufgestellt und damit bald ein rationalisierter
Drusch betrieben.
Nur noch ein Teil der Ernte wurde wohlerwogen in die großen
Scheunen der Güter kunstvoll eingestapelt – „gebanselt“. Auf der Tenne
der Feldscheune stand die Dreschmaschine bis zum Abschluß des Drusches.
War eine Bansel der großen, hohen und stützenfrei gezimmerten
Feldscheune- von oben her beginnend leer gedroschen, so wurde sie genutzt,
um das Stroh aufzunehmen.
Die Feldscheunen waren immer leicht gebaut und gut durchlüftet.
Nicht in jedem Falle war die Außenfläche der Feldscheune durch
unterschiedliche Verbretterung oder Ausmauerung vor Wind und Wetter geschützt.
Mitunter war auch nur die westliche Seite, die „Wetterseite" (weil von.
da her meist dei Regen kommt), durch eine Bekleidung geschützt, es
konnten gemauerte Ziegelpfeiler das Dachtragen selten ein heimisches, steiles
Sparrendach, häufiger ein südlich beeinflußtes, flach geneigtes
„Pfettendach" - Es gab sie mit Papp- und Ziegeldeckung, verschiefert waren
sie sehrselten.
Die große Brandgefahr der eingebrachten Ernte bedingte gewiß
auch die Verbreitung dieser effektiven Art von Scheunen. Als große,
freistehende Bauwerke waren sie dem Blitzschlag besondersausgesetzt.
Im Gebiet des heutigen „Amtes für Ländliche Neuordnung
Würzen" waren die Feldscheunen nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem
im Bereich der ehemaligen Rittergüter noch sehr zahlreich. Sie dienten
nach 1960 nur noch dem Unterstellen großer Landmaschinen. Diese funktionslosen,
leichten Bauten verfielen auch durch mangelnde Pflege schnell. Eine neue
Konzeption der Getreideernte hatte diese späte Blüte der traditionellen
Feldwirtschaft überflüssig gemacht. Heute sind sie einlandwirtschaftliches
Fossil'"
Die Feldscheune am Ortseingang von Nitzschka hat die Jahre überdauert. Foto: Rudolf Priemer